Verfasst von: Reiner Langwald | 4. März 2010

Marketingchaos beim Harzer Tourismus

Das Chaos im Harztourismus könnte nicht größer sein: Der Harzer Verkehrsverband, Jahrzehnte lang von den Harzverantwortlichen unisono als das Nonplusultra des Tourismusmarketings verherrlicht, ist am Ende doch in die längst verdiente Ungnade gefallen. Er musste neuen Strukturen weichen, deren Sinn sich dem Beobachter aber nicht ohne weiteres erschließt.

Auch einstige Tourismushochburgen wie Bad Harzburg, Hahnenklee oder Braunlage grübeln bislang erfolglos, wie sie den 2009 nur geringfügig gebremsten Abwärtstrend im Tourismus mittels neuer Strukturen nachhaltig umdrehen können. Andere Harzer Orte haben schon resigniert und sich samt ihrer schmalbrüstigen Marketingetats blindlings einem Tourismus-Berater von der Küste ausgeliefert, der bei der Verwendung ihrer mühsam zusammen gekratzten Penunzen natürlich zunächst an die Kostendeckungsbeiträge für seine imposante Firma denken muss.

Überhaupt, die Berater! Denen stehen hierzulande wieder fette Jahre bevor, obwohl doch die Harzer Führungskräfte im Tourismus eigentlich für ähnliche Qualifikationen ganz gut bezahlt werden. Diese Protagonisten des zum HTV (Harzer Tourismusverband) mutierten HVV haben kürzlich schon eine Agentur aus Berlin engagiert. Sie solle für 50.000 Euro, so berichtete die Goslarsche Zeitung etwas ahnungslos, eine neue Werbestrategie erstellen. Wie das ohne eine grundlegende Marketingplanung gelingen soll, von der die Werbestrategie ja nur ein Teil sein kann, bleibt zunächst geheimnisumwittert.

Allerdings enthüllt dem Interessierten ein Blick auf die Homepage www.embassyexperts.com schnell das grundlegende Missverständnis, dem die Hutträger im Harztourismus mal wieder erlegen sind: In der Berliner Agentur sind keine Marketinggeneralisten am Werk, sondern „DIE EXPERTEN FÜR DESIGN, BRANDING UND KOMMUNIKATION“, wie sie es selbst auf ihrer Homepage formulieren. Sie sind also Spezialisten für einen ganz engen Marketingbereich. Ihre beeindruckende Referenzliste und die immerhin drei Professoren im Team zeigen außerdem, dass diese Experten in einer Liga spielen, in der man einen 50.000-Euro-Etat unter der Rubrik „Kleinvieh macht auch Mist“ verbucht.

Man kann also nur hoffen, dass das Geld der Harzer nicht zum erheblichen Teil für die Reisespesen und Tagessätze der „Account Manager“ oder der „Ambassadors“ von EMBASSY draufgeht. Für den Etatrest gibt es vermutlich die üblichen, zu neuer Bedeutsamkeit aufgemotzten Empfehlungen, wie sie schon in diversen Papieren früherer Berater zu lesen waren – und zwar wieder im schönsten  denglischen Beraterkauderwelsch.  Neue originelle Ideen, mit deren Hilfe der Harztourismus aus dem Tal der Tränen herausfindet, sind da kaum zu erwarten. Da hilft es auch nicht, wenn man die noch gar nicht so alte und eigentlich  gelungene Wort-Bildmarke „Der Harz“ (siehe Abb. unten) schon wieder ummodeln will.

Apropos Marke! Nach dem Willen des neuen Marketing-Abteilungsvorstands im HTV sollen die  Berliner „die Dachmarke Harz einem so genannten Markenradar unterziehen, dass heißt die Stärken und Schwächen des bisherigen Markenauftrittes analysieren und ein neues, auf den aktuellen Tourismusmarkt ausgerichtetes Markenprofil für den Harz entwickeln. Basierend auf der so entstandenen Markendefinition soll in einem zweiten Schritt das Corporate Design des Harzer Tourismusverbandes in allen Bereichen weiterentwickelt werden.“ (O-Ton HTV)

Abgesehen davon, dass die Stärken und Schwächen des Harzes schon mehrfach und immer mit dem gleichen Ergebnis untersucht aber nie berücksichtigt worden sind, ist dieses so formulierte Briefing für schlappe 50.000 Euro ohnehin nicht zu bewältigen. Außerdem fragt man sich, warum ausgerechnet das Corporate Design (CD) des Harzer Tourismusverbandes in allen Bereichen weiterentwickelt werden soll. Denn ein Corporate Design umfasst nur das visuelle Erscheinungsbild des Unternehmens (einheitliche Farben, Typographie etc.) und ist neben Corporate Communication (Unternehmenskommunikation) und Corporate Behaviour (Unternehmensverhalten) nur einer von drei Bestandteilen der Corporate Identity. Dem Harz fehlen aber nicht neue Farben, sondern wettbewerbsfähige attraktivere Angebote und endlich eine Zielgruppen gerichtete Werbung mit großer Reichweite.

Noch ein Berater

Bad Harzburg und Braunlage erhoffen für sich derweil gute Ratschläge von einem weiteren Experten. Dieser Ralf-Holger Gerlach (50) aus Wolfsburg gewann laut Goslarscher Zeitung seine besondere Expertise im Tourismusgeschäft  als  Mitglied in ein paar regionalen Beiräten und Aufsichtsräten und als Leiter einer City Marketing & Tourismus (CMT) Wolfsburg, die dort vor allem Seifenkisten-Rennen  und Stadtführungen für die Wolfsburger Marketing GmbH organisiert. Hauptberuflich ist er Wolfsburger Regionalchef der Frankfurter Reisebürokette DEPART24, die in ganz Deutschland Pauschalreisen vertickt. Außerhalb der Wolfsburger Region ist er als Tourismusexperte eher unbekannt, auch sind keine Referenzen aus besonderen touristischen Projekten bekannt, die seine Berufung in den Harz rechtfertigen würden. Bislang unerwähnt blieb in der GZ bisher auch die Höhe seiner Honorare.

In Bad Harzburg fungierte er im neuen Arbeitskreis Tourismus schon einige Male als so genannter Moderator, wobei offen blieb, warum die fachliche Ahnungslosigkeit seiner dortigen Gesprächsteilnehmer überhaupt eines Moderators bedarf, dort fehlt eher ein Mentor. Immerhin trug Gerlach seinem gespannten Publikum nach flüchtigem Studium der Harzburger Verhältnisse stichwortartig vor, was der SPD-Arbeitskreis Tourismus schon vor drei Jahren wesentlich ausführlicher, detaillierter und begründeter erarbeitet hatte.

Braunlages Obere, die nun ihr Tourismusaufgebot auch mittels abgetrenntem Marketing umstrukturieren wollen, waren davon offenbar so beeindruckt, dass sie den Wolfsburger Berater samt dessen Harzburger Protektor Bernd Vollrodt auch ins Braunlager Boot holten, obwohl dieses doch gerade erst von der angesagten Tourismusagentur IFT Köln für 27.000 Euro auf Kurs gebracht worden sein soll. Allerdings war der einzige bekannt gewordene IFT-Ratschlag von nicht gerade beeindruckender  Schlichtheit: Man solle an den Wanderwegen des Wurmbergs Sichtschneisen in den Wald schlagen. Darauf hätte der Kurdirektor auch selbst kommen können.


Antworten

  1. Rainer Langwald hat absolut Recht, der SPD Arbeitskreis hat im Bereich Tourismusmarketing wirklich tolle Arbeit geleistet und Handlungsempfehlungen erarbeitet, wie man Tourismusmarketing erfolgreicher betreiben kann. Ich kann das beurteilen, denn ich war in diesem Arbeitskreis und bin Vorsitzender der SPD in Bad Harzburg. Und wisser Sie was, Rainer Langwald, hat diesen Arbeitskreis moderiert und dort als Tourismusexperte ganz hervorragende Arbeit geleistet. Aber es ist einfach falsch, dass in den Beiräten Tourismus/Citymarketing und Leuchttürme nur Ahnunglose sitzen, die sich von Herrn Gerlach die SPD-Arbeitsergebnisse erläutern lassen. Nein ganz im Gegenteil, wir sind gerade dabei die Arbeitsergebnisse umzusetzen. Und noch etwas, Herr Gerlach leistet wirklich eine gute Arbeit und schon bald werden erste Auswirkungen erkennbar sein. Und so nebenbei, dass Ralf-Holger Gerlach gute Kontakte hat und schon den ein oder anderen Investor nach Bad Harzburg mitgebracht hat, kann ja so schlecht auch nicht sein.

  2. Da fällt mir doch noch was ein. Der SPD-Arbeitskreis hatte auch erarbeitet, dass wir für Tourismusmarketing mehr Geld benötigen. Auf eine Initiative der SPD bei den diesjährigen HH-Beratungen ist für den Bereich Marketing für die Haushaltsjahre 2010 und 2011 mehr Geld zur Verfügung gestellt worden. Das Gesamtbudget im Bereich Wirtschaftsförderung und Torismusmarkting wurden insgesamt auf 250.000 € erhöht. Wir sind also auch in diesem Bereich auf einem guten Weg.


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